DAS ARCHIPEL
Madeira ist ein Archipel aus vier Inseln. Zwei sind nicht bewohnt und stehen unter Naturschutz. Die anderen zwei sind Porto Santo und die Hauptinsel Madeira. Porto Santo wurde als erstes 1418 entdeckt. Richtung Westen erschienen täglich Wolke am Horizont — immer an der gleichen Stelle. Zwei Jahre 1420 später fand man nach langem Suchen die Insel Madeira — dort wo die Wolken waren.
Damals war es üblich, das die Kapitäne der Schiffe als Gouverneure der „neu“ entdeckten Welt eingesetzt wurde. Prinz Henri der Seefahrer, vierter Sohn des Portugiesischen Königs Johann 1, setzte seine drei Kapitäne ein, die die Inseln entdeckt hatten. Die Hauptinsel wurde in den Norden und den Süden eingeteilt, Porto Santo bekam die beiden kleineren (heute immer noch unbewohnten) Inseln zugeteilt. João Gonçalves Zarco, der Gouverneur der warmen, von den Westwinden geschützten Südostseite der Insel, brannte kurzerhand die Lorbeer und Eukalyptusbäume ab, um das Land urbar zu machen. Die Legende besagt, die Insel soll sieben Jahre gebrannt haben.
1461 wurden die sogenannten “Levadas” gebaut. Levadas sind Steinrinnen, die auch heute noch Quellwasser aus den Bergen an die Küste transportieren, so das Gärten und Felder bewässert werden können.
Im 15. Jahrhundert war Zuckerrohr, Getreide und Holz der absolute Verkaufsschlager.
Durch die Position der Insel im Atlantik zeigte sich Madeira als perfekte Anlaufstation um Vorräte aufzufüllen, bevor man nach Amerika oder Indien auslief. Parallel dazu boomte der Sklavenmarkt um die Zuckerrohrfelder zu bewirtschaften.
Aber nicht nur der Zuckerrohr, Südfrüchte wie Bananen und Getreide wurde angebaut. Auch ein wenig Weinbau wurde betrieben. Die Reben stammten hauptsächlich aus dem Norden Portugals und wurde von den ersten Siedlern mitgebracht. Verdelho aus dem Vinho Verde z.B.
Zu diesem Zeitfenster galt als der beste Wein der Welt ein Malvasia aus dem östlichen Mittelmeerraum. Prinz Henri ließ Malvasia Cândida Pflanzen von Kreta kommen und auf Madeira anbauen. Eine “verordnete” Rebsorte.
MADEIRA WIRD WELTBERÜHMT
1506 brach der florierende Handel zum ersten mal ein. Woran lag es?
Die Böden waren erschöpft von der Monokultur des Zuckerrohranbaus, in den Sklavenunterkünften war die Pest eingezogen und rafften die Menschen dahin. So wurden viele Zuckerplantagen in Weingärten umgewandelt.
Die Weine fanden neuen Märkte in Amerika und Indien. Nicht nur für die Menschen in anderen Ländern auch die Seefahrer luden reichlich Wein in ihre Schiffsbäuche — für die lange Überfahrt.
Was waren es für Weine, die rasant bekannt wurden, und mit als die Besten der Welt galten?
Auf der einen Seite Malvasia Cândida, die immer reinsortig ausgebaut wurde und in Reiseberichten aus dieser Zeit als “rich” bezeichnet werden, auf der anderen Seite der sogenannte “Vidonho” eine Cuvée oder ein gemischter Satz aus verschiedenen Sorten. Die Weine wurden hauptsächlich aus weißen Rebsorten hergestellt. Rote Sorten wie Tinte Negra oder Tinte Mollar waren nicht populär. Sie galten anfänglich eher für den Hausgebrauch
Parallel mit dem Weinbau auf Madeira entwickelte sich der Weinbau auf Teneriffa. Die Sorten waren zwar unterschiedlich — auf Teneriffa fand man eher Sorten aus dem spanischen Süden, aber auch der Exportwein von Teneriffa wurde Vidonho genannt und war ebenso wie der Vidonho von Madeira, trocken ausgebaut.
Auf beiden Inseln wurden die Weingärten bewässert und es waren alkoholarme, leichte, trockene, säurehaltige Weine, die für den Export „geschönt“ wurden. Das Verfahren kannte man aus Griechenland, bzw. wurde es bei allen „Sacks“ (Madeira, Sherry, Teneriffa Weine u.ä. wurden in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts so genannt) angewendet. Man arbeitete mit Gypsum — einem Caliumsulfat. Das machte die Weine haltbarer und machte den Wei weniger sauer.
Malvasia Cândida war anders. Sie hatte sehr hohe Zuckerwerte. Aber man kannte noch nicht die Technik des Stoppen der Gärung durch hochprozentigen Alkohol. Also wurden auch die Malvasias immer „durchgegoren“. Allerdings neigt die Pflanze dazu ein Teil ihrer Teil ihrer Früchte zu Rosinen werden zu lassen, man kann davon ausgehen, das die Weine — obwohl durchgegoren sehr hohe Zuckerkonzentrationen hatten. Vermutlich wurde Malvasia ähnlich wie Tokajer hergestellt. Die süssen Rosinen drücken auf die überreifen Trauben und der Saft bricht den Zucker aus den Rosinen aus. Allerdings gibt es darüber keinerlei. Berichte. Es gibt aber auch keine Berichte darüber ob Malvasia „nachgesüsst“ wurde — wie Sherry zu dem Zeitfenster. Außerdem war es nur eine sehr kleine Produktion. Die Weine waren eher instabil und problematisch für den Export.
Zudem stellte man fest, das die Weißweine (Vidonhos) schneller umkippten und sich als Essig präsentierten als Rotwein — diese waren allerdings nicht gut und von schlechter Qualität. So wurde um die Weine haltbarer zu machen, etwas Rotwein in den Weißwein Vidonhos gekippt. Das wurde der absolute Verkaufsschlager.
EXPORTSCHLAGER MADEIRA
Das 17. Jahrhundert war Madeira „der“ Exportschlager. Durch die besondere Lage im Atlantic war Madeira eine Art „Duty free“ Produkt für portugiesische Schiffe, besonders wenn sie nach Brasilien fuhren. Bis zum Ende des Jahrhunderts war der Export exzessiv angestiegen. Die Madeirer selber tranken fast gar nicht. Es galt als beschämend Alkohol zu trinken. So liegt nahe, das die Weine fas ausschließlich für den Export produziert wurden.
Die Preise der Weine wurden im Oktober nach der Lese festgelegt. So waren bestimmt Hanglagen teuerer als nicht so gute Weingärten. 1625 wurde festgelegt, welche Weingärten besonders „wertvoll“ waren und welche nicht. 1650 wurde der Wein als „guter“ und „nicht so guter“ Wein unterschieden und so mit Preisen belegt.
Malvasia hatte auch hier eine Sonderstellung. Es war eine absolute Rarität und wurde z.T. in besonderen Weingärten nur für die Regierung und Gouverneure angebaut.
VON FÄLSCHUNGEN UND QUANTITÄT
Zum Ende des 17. Jahhunderts, war Madeira so begehrt, die Nachfrage so groß, das viele sich nicht beherrschen konnten — Quantität vor Qualität. So ergab es sich, das es jede Menge Fälschungen oder Verfälschungen produziert wurden. Es wurde gepanscht was das Zeug hielt. Dies führte zu einem Rückgang der Nachfrage.
1724 kam es zu einer Petition, das kein Wein aus dem Norden in den Süden transportiert werden durfte, da der Wein aus dem Norden als „minderwertig“ galt. Das daraufhin erstellte Gesetz wurde 1768 erlassen.
Ein paar Jahre vorher etwa erließ der Marques de Pombal den Erlass das Dourotal im Norden Portugals zu klassifizieren und kontrollieren zu lassen. Dies übernahm man auf Madeira. Die Weine waren in 3 Kategorien eingeteilt:
- Sehr gute Weine für den Export
- Weine mit einer Medium Qualität für den Export nach Brasilien und für die Schiffsbesatzungen
- Alle anderen Weine, von minderer Qualität waren für Tavernen bestimmt.
Mit den neuen Gesetzen kamen neue Fälschungsmethoden. Es wurde z.B. schwarzer Kirschsaft zum Färben verwendet, so das alle schwarzen Kirschbäume gefällt wurden und nur noch rote Kirschbäume genehmigt waren.
Manche Schiffe liefen mit den geladenen Madeirafässern Teneriffa an, um die Weine zu mischen und dann als „Madeira“ in Amerika zu verkaufen. Diese Weine wurden inoffiziell “Mock — Madeira“ genannt.
HITZE UND ZUSÄTZLICHER ALKOHOL
Die Weine, die den Äquator 2 x überquert hatten präsentierten sich wesentlich besser als die anderen Weine. Man schob es auf die Hitze und die Bewegung des Schiffes.
1705 läßt ein Reisebericht darauf schließen, das das Erhitzen der Weine in der Sonne schon gebräuchlich war.
1730 ist der Vino do sol ein gängiger Begriff. Wobei die Schiffe eine große Rolle spielten und die Weine über den Äquator geschickt wurden um sie danach zurückzuführen und dann für teuer Geld zu verkaufen.
Es gab in Funchal Häuser, mit Glasdächern unter denen die Weine gelagert wurden, so konnte man das karamellisieren des Zuckers künstlich hervorrufen.
Aber das erhitzen konnte man auch schneller machen: So ploppten im 18. Jahrhundert in Funchal überall sogenannte „Estufas“ auf: Öfen in denen man den Wein erhitze und aufkochte. Eine Methode die zuerst geduldet wurde, dann wieder verboten und dann doch wieder geduldet, da es die Weine haltbarer — allerdings nicht besser machte.
1730 etwa kam langsam das „Verstärken mit hochprozentigem Alkohol“ der Weine auf. Vermutlich wurde es aus dem Dourotal übernommen. Es war zu beginn ein offenes Geheimnis und diente der Stabilität für den Transport.
Durch die schlechte Qualität der Estufas — der gebrannten Weine und der stetigen Brandgefahr in Funchal, wurden mit 1802 die Estufas, (Funchal Öfen) verbannt. Am 07. Mai 1803 wurde das Gesetz wieder gelockert und es duften weiter die Estufas in Funchal für die Weine verwendet werden. Aber schon nach 1/2 Jahr im November 1803 wurde das Verbot wieder auferlegt, welches am 07. Mai 1804 wieder aufgehoben wurde.
Dieses hin und her zeigt, wie schlecht die Qualität der Weine war aber es zeigt auch, wie wichtig es für den Export war. Die Weine waren total überhitzt, welches zu harschen und schlechten Ergebnissen führte.
1828 wurde Zoll auf die Fässer der Estufas gelegt. Dies führte dazu, das man den Zoll umging indem man die Weine auf die Azoren oder Kanaren brachte, wo sie dort in Estufas erhitzt wurden. 1836 boomte der Verkauf von sogenannten „Mock — Madeiras“ — sie nannten sich „Sizilien Madeira, Cape Madeira, Teneriffa Madeira“ etc.
Kriesen
Der Amerikanische Unabhängigkeitskrieg 1777 — 1782 ließ den Amerikanischen Markt einbrechen. Lebensmittel wurden knapp, da man auf Madeira fast nur die Monokultur Wein bewirtschaftete und Lebensmittel aus Amerika importierte. Viele Brieten die lange in Amerika waren, gingen zurück nach Hause. So wurde der Britische Markt interessant.
Mit den Napoleon Kriegen gab es insgesamt zwei Besetzungen von Briten der Insel Madeira, aus eigenen Handelsinteressen. Die Briten machten sich nicht sehr beliebt auf der Insel. Überall waren nun betrunkene Soldaten auf der Insel zu finden. Wo doch die Portugiesen eher „zurückhaltend“ waren, was den Alkoholkonsum anging.
1851 wurden die ersten Reben aus Frankreich mit Odium (Mehltau) infiziert nach Madeira eingeführt. Der Infekt erfolgt sehr schnell auf die umliegenden Weingärten und führte zum totalen ökonomischen Ruin der Insel. Durch die Vernichtung der Weingärten führte es dazu, das viele die Insel verließen. Aber nicht nur das: Madeira war auf internationale Hilfen angewiesen.
Der Anbau von Baumwolle, Zuckerrohr und Bananen nahm wieder gestallt an. Die Baumwolle Industrie war es im Nachhall, die zum Überleben der Insel half.
Die nächste Katastrophe war der Amerikanische Bürgerkrieg — 1861. Er brachte den Export nach Amerika zum totalen erliegen.
Die Eröffnung des Suezkanals machten es nicht besser, denn wer nun gen Indien fuhr, kam nicht mehr an Madeira vorbei, sondern nutzte den viel kürzeren Weg durch den Kanal anstelle um das Kap der Guten Hoffnungen zu segeln.
Mit 1872 wurde die Reblaus auf Madeira entdeckt. Ironischerweise stammten sie von den Mehltauresistenten Isabellareben. Die Reblaus vernichtete fast alle Weingärten Europas. Auf Madeira war es nach den ganzen ruinösen Katastrophen der nächste Schlag. Obwohl der Mehltau auf Madeira schlimmer gewütet hatte. Die meisten Weingärten wurden in Camara do Lobos zerstört — wo es wunderbare Malvasia Cândida Reben gab. Gerade an den niedriger gelegenen Hängen wie Faja dos Padres tobte sie sich aus.
1912 kam der falsche Mehltau, ebenfalls eine Pilzerkrankung wie der echte Mehltau (Oidium).
Anfang des 20. Jahrhunderts vielen noch mehr Märkte weg: Revolution in Rußland, Prohibition in Amerika und Cocktails bekamen immer mehr Aufschwung. Der Erste Weltkrieg, gefolgt vom zweiten Weltkrieg.
DAS 20. JAHHUNDER
Der Madeira Markt lag am Boden.
Mit der Gründung der Madeira Wine Association — einem Verband der übrigen Häuser — die die Export Kraft bündelten. Insgesamt waren es 17 Firmen die übrig blieben. Der deutsche Markt wurde erschlossen, ebenso Skandinavien und England. Die Vermarktung veränderte sich langsam, es wurden zwar immer noch Fässer verschifft und im Ankunftsland vor Ort abgefüllt, aber unter bestimmte „Brands“ wurden einzelne Rebsorten verkauft z.B. Cossard Gordon’ s Good Compagnon Bual, Lomelino’s Henry the Navigator Sercial oder Blandy’s Duke of Clarence Malmsey. Diese Brands hatten zur Folge das sich Sorten herauskristallisierten: Sercial war trocken, Verdelho halbtrocken, Boal halbsüss und Malvasia süss.
Nach dem zweiten Weltkrieg waren wieder 60 Handelshäuser vermerkt. Durch die Öffnung der EU und die Vernetzung der Insel vom Norden und Süden, ebenso die Anbindung durch den Flughafen zum Festland, wurde der Tourismus gefördert.
Mit der Nelkenrevolution von 1974 konnten Bauern, die bisher immer nur mieten durften, die Grundstücke kaufen, das Erbrecht des Morgasos wurde aufgehoben. Viele Bauern entschlossen sich die Weine rauszureißen und Bananenplantagen anzulegen, die sehr lukrativ waren oder Weingärten wegzureißen um dort ihre Grundstücke für Hotels zu verkaufen.
So läßt sich erklären das 1997 nur noch 7 Handelshäuser vermerkt waren.
UND HEUTE?
Heute ist Madeira ein beliebtes Reiseziel. Im Hafen von Funchal liegt mindestens ein Kreuzfahrtschiff. Sonntag keines, da ist Ruhe angesagt.
Es gibt besonders an der Südküste in Funchal sehr viele Hotels, die sich aneinanderreihen. Die Insel lebt mittlerweile vom Tourismus. Denn eines haben die Menschen hier gelernt: man braucht viele Standbeine um die Wirtschaft am Laufen zu halten. Viele Bananenplantagen findet man , Zuckerrohr, Baumwollprodukte werden an die Touristen verkauft oder exportiert.
Dennoch — auch der Madeira spielt eine große Rolle. Häuser wie Vinhos Barbeito, Henriques & Henriques, Blandy’s, D’Olivera etc. haben einen großen Schatz: Geschichte im Glas. Denn Madeira ist der langlebigste Wein der Welt.
Die Estufas haben sich weiterentwickelt und sind für die breite Produktion der Madeiraweine nicht wegzudenken. Bei Qualitativ hochwertigen Madeiras werden die Fässer in Räumen gelagert, die ganz natürlich von der Sonne erhitzt werden. So karamellisiert der Zucker sehr langsam. Das Stritten der Weine bleibt bei allen Madeiras gleich. Durch das zusetzen von Branntwein, bleibt die natürliche Süsse erhalten, macht den Wein haltbarer und läßt ihn seine traditionelle Stilistik präsentieren.
Aber heute passiert noch mehr als Madeira — also ein Fortified Wine (angereichert mit Alkohol) — es werden immer mehr Tischweine gemacht. Vinho Barbeito baut Sercial und Verdelho aus Einzellagen aus, aber auch rote Sorten wie Bastardo oder Tinte negra sind zu finden.
MADEIRA
REBSORTEN:
Sercial / Trocken
Verdelho / Halbtrocken
Bual oder Bual / Halbsüss
Malvasia oder Malmsey / Süss
Es gibt noch Terrantez, Moscatel, Tinte Negra, Bastardo u.a. als empfohlene Rebsorten für die Fortified Wines. Malvasia Cândida findet man fast nirgendwo mehr. Überall wo Malvasia drauf steht ist Malvasia Branca de Sao Jorge drin. Malvasia Cândida ist eine absolute Rarität.
QUALITÄTEN
Selecciando — mind. 3 Jahre gereift, max 5 Jahre
Rainwater — max 5 Jahre — Aperitif
3 Years old Reserve - min. 3 Jahre gereift
5 Years old Reserve oder Fine Madeira — 5 Jahre gereift
10 Years old Reserve — Special Reserve — im Schnitt 10 Jahre gereift
20 Years old Reserve — im Schnitt 20 Jahre gereift
30 Years old Reserva — im Schnitt 30 Jahre gereift
Over 40 Year old Madeira — älter als 40 Jahre
Solera — verschiedenen Jahrgänge die mit einem Solera Verfahren cuvéetiert wurde
Colheita — mind. 5 maximal 20 Jahre Lagerung
Frasqueira — Vintage Madeira — min. 20 Jahre Fassgelagert
Single Harvest — Einzellage — mind. 5 max 10 Jahre im Canteiro Verfahren gereift (Holzfässer die mit der Zeit durch die Sonne erwärmt werden)