Inventuren sind im Allgemeinen nicht sonderlich beliebt. Wasserflaschen zählen, Spirituoseninhalte schätzen und Tees abwiegen, es gibt bessere Aktivitäten, die man machen kann. Aber (!) ich mache gerne die Inventur im Weinkeller, wenn es nicht jeden Tag ist. Am besten klappt es zu zweit. Einer räumt die Fächer aus, zählt die Flaschen, der andere schreibt und kontrolliert.
Im Sölring Hof dauert die Inventur ca. 4–5 Tage, bis sie ordentlich notiert ist. Weissweinkeller, Rotweinkeller, Klimaschränke, Portweinecke (die dauert :-)) und dann alles säuberlich in den Computer eintippen.
Es gibt aber auch das eine oder andere Inventurwunder. Es fehlt ein Wein, also wurde er verkauft und nicht in meiner Liste ausgestrichen (das würde ich nicht unter Wunder verbuchen, eher unter verballert) Ok. Das kann ich nachvollziehen.
Nun kann es ab und an passieren, das ein paar Flaschen wie von Geisterhand wieder auftauchen oder es sind seltsamerweise mehr, als ich eingekauft habe. Ein Phänomen. Wie kann das passieren? Eine Erklärung wäre, der Wein wurde ausgestrichen, aber nicht verkauft und ist so zurück in den Keller gewandert. Aber wenn ich 12 Flaschen kaufe (zwei 6er Kisten) und es sind auf einmal 13 Flaschen da? Gibt es einen Klabautermann der mir eine zusätzliche Flasche in den Keller schmuggelt? Ist die Flasche dann geeignet um die Inventur gerade zu trinken? Oder ist das ein Trick der Steuerbehörde, die checken will, ob man richtig zählt?
Vielleicht ist es eine Probeflasche, die versehentlich in das Regal gewandert ist? Ich habe reichlich Verschwörungstheorien aufgestellt, aber ich halte das letztere für die wahrscheinlichste Variante. So zücke ich das Laguiole und mein Glas um der Probeflasche die nötige Aufmerksamkeit zu geben, die sie verdient hat.
2018 Avant la Tempête, Matthieu Apfel — Savoie Der Wein sieht sehr dickflüssig aus, er fließt sehr sehr langsam an der Glasinnenseite herunter. Er ist nicht ganz klar, sondern hat feine, leichte Trubstoffe, wie ein Schleier in dem hellen goldgelb mit grünen Reflexen. Äpfel, Hefebrot, weiße Blüten, Gewürze, nussig, schwarze Walnüsse, Mandeln — je öfter man in das Glas schnuppert, desto mehr gibt der Wein an Aromen preis. Die Säure ist im Mund als erstes präsent, direkt danach fällt der dichte Köper auf, der Kompakt ist, aber nicht breit und so das Säuregerüst abpuffert. Der Jacquère ist trocken ausgebaut und kein Leichtgewicht. Man muss sich auf dieses besondere Aroma einlassen, denn unsere Gaumen kennen oft diese raren, seltenen, autochthonen Rebsorten nicht. Also: Augen zu und genießen.
Speiseempfehlung: Comté, oder einen Hartkäse mit recht viel Salzgehalt.
Hoch lebe die Weinkellerinventur.